Robert „Red“ Gene West (1936-2017) gehört zu den Personen aus dem direkten Umfeld Elvis Presleys, die (fast) alle Organisatoren von Elvis-Events gerne im Programm haben. Der Grund liegt auf der Hand: Red West war über 20 Jahre ein enger Freund, später auch Angestellter Elvis Presleys, entsprechend viel hat er zu erzählen, Interviews gibt bzw. gab er jedoch selten. Red West ist inzwischen verstorben.
Im Juli 2015 war Red nach Jahren wieder einmal in Begleitung seiner Familie in Europa auf „Elvis-Tournee“, zunächst in England, dann in Dänemark, wo er im Rahmen einer Veranstaltung in Henrik Knudsen Graceland Randers – einer originalgetreuen Kopie von Elvis‘ Wohnsitz in Memphis – von seiner Zeit mit dem King erzählte. Vor allen Dingen erzählt Red von den frühen Tagen ihrer Freundschaft, als er Elvis immer wieder vor Prügelattacken anderer Jungs beschützen musste.
Wie in dem Video zu hören ist, kannten sich Elvis und Red aus High School-Tagen in Memphis. Schon in der Schulzeit hielt der kräftig gebaute, sportliche Rotschopf seinem schlaksigen Freund prügelwillige Schulkameraden vom Hals, später, als Elvis Mitte der 1950er mit seiner Band durch die amerikanischen Südstaaten tingelte, half er als Fahrer, Bodyguard und Mädchen für alles aus.
1958 begleitete er G.I. Elvis Presley für ein Dreivierteljahr nach Deutschland, wo er mit Familie Presley zusammen in Bad Nauheim im Hotel und später im Haus in der Goethestraße 14 wohnte. 1961 heiratete Red West eine der Sekretärinnen Elvis Presleys.
Elvis Presley mit Red West in Deutschland 1958/59
Red West ist vor allem als einer der „Bodyguards“, als Mitglied der berühmt-berüchtigten Memphis Mafia ein Begriff, jener männlichen Spiel- und Spaßtruppe, die den King überall hin begleitete. Es ist eine Beschreibung, die im Falle Red Wests zu kurz greift. Red und Elvis hatten neben sportlichen Aktivitäten (Football, später Karate) von Anfang an ihre Leidenschaft für Musik und auch die Schauspielerei gemeinsam.
Der Superstar und sein Freund in der 2. Reihe
West komponierte nicht nur einige erfolgreiche Songs für Elvis Presley (teilweise im Duo mit anderen Komponisten), darunter That’s Someone You Never Forget und Separate Ways, sondern baute sich ab den 1960ern – beginnend mit kleinen Schauspielrollen in vielen Elvis-Filmen (etwa als Hank Tyler in Wild In The Country, 1961) – sukzessive eine eigene Karriere als Charakterdarsteller in Filmen und TV-Serien auf. Sein jüngstes Projekt ist der anspruchsvolle Independent-Kurzfilm The Last Generation To Die (2015).
https://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/07/elvis_red_west_germany-1000.jpg6611000memphisflashhttps://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/05/The-Memphis-Flash-Elvis-Presley-Blog-300x41.gifmemphisflash2015-07-28 11:30:462022-10-11 18:21:26Elvis Presley und Red West: A failure to communicate
Helmut Radermacher (* 1943) ist seit über fünf Jahrzehnten einer der bekanntesten deutschen Elvis-Kenner und -Aficionados. Der Düsseldorfer, der heute in Coburg lebt, gründete 1958 den ersten Elvis-Fanclub in Deutschland, war 1978 Mitbegründer und langjähriges Vorstandsmitglied der Elvis Presley Gesellschaft, ist leidenschaftlicher Elvis-Sammler und zeichnete jahrelang als freier Berater von Elvis Presleys Plattenfirma für erfolgreiche LP-Veröffentlichungen in Deutschland verantwortlich.
2017 gab Radermacher zudem Ernst Jørgensens Standardwerk Elvis Presley A Life In Music. The Complete Recording Sessions in einer überarbeiteten und ergänzten Version in deutscher Sprache heraus.
Elvis-Kenner Helmut Radermacher vor einem Teil seiner gigantischen Plattensammlung – Foto: Sammlung Radermacher
Viele deutsche Fans haben Elvis überhaupt erst über die Vermittlung von Helmut Radermacher, d.h. über die von ihm als Berater von RCA Deutschland zusammengestellten Hit-LPs, kennengelernt – ohne es zu wissen. Ich freue mich, dass Helmut heute in seinem 1. Gastbeitrag für The Memphis Flash einen Blick hinter die Kulissen einer seiner erfolgreichsten Ideen gewährt.
Wie „Elvis The King – Die Hits der deutschen Charts“ entstand
Die Hauptrolle des jungen Elvis übernahm Michael St. Gerard, Mutter Gladys wurde von Millie Perkins verkörpert, die 1961 an der Seite von Elvis im Film Wild In The Country (dt. Lied des Rebellen) eine weibliche Hauptrolle gespielt hatte. Weitere wichtige Personen in der Handlung waren neben Vater Vernon Presley (Billy Green Bush) noch Elvis‘ frühe Bandmitglieder Scotty Moore (Jessie Dabson) und Bill Black (Blake Gibbons) sowie Studioinhaber Sam Phillips (Jordan Williams). Wer die Serie nicht kennt, ahnt es jetzt schon: Es ging in der Hauptsache um Elvis‘ berühmte SUN-Ära, also die frühen Jahre unter dem Dach von Sam Phillips Aufnahmestudio und Plattenlabel.
Leider waren die deutschen Angaben zur TV-Serie – wie so oft – ungenau bis falsch, denn es war mal wieder die Rede davon, dass die „Witwe“ von Elvis, Priscilla Beaulieu Presley, die TV-Story mit produziert hatte: Ex-Frau wäre natürlich richtig gewesen. Und natürlich wurde auch wieder die Geschichte aufgetischt, Elvis hätte seine erste, selbst finanzierte Platte My Happiness (1953) als Geburtstagsgeschenk für seine Mutter Gladys aufgenommen. Dieses Märchen ist einfach nicht totzukriegen! Dabei existiert eine Quittung darüber, dass Elvis den Song am 18. Juli 1953 aufnahm, fast drei Monate nach dem Geburtstag seiner Mutter am 25. April. Das wäre also ein reichlich verspätetes Geburtstagsgeschenk gewesen.
Sei’s drum. Begleitend zur TV-Serie wollte die deutsche Niederlassung von Elvis‘ Plattenfirma RCA jedenfalls eine Platte herausbringen. Da ich RCA zu diesem Zeitpunkt schon mehrfach bei ähnlichen Projekten erfolgreich beraten hatte, bat mich 1991 die A&R-Abteilung (Artist und Repertoire) nach Hamburg zu kommen, um vor dem Start der Serie im TV ein paar Folgen anzusehen. Die Verantwortlichen bei RCA glaubten nämlich, dass in der Serie auch Elvis im Original zu hören und deswegen eine Kopplung mit einer Platte geradezu optimal wäre. In Hamburg saß seit 1956 die Teldec, ab 1975 RCA, ab 1986 hieß es Ariola, bevor das Ganze wiederum zu BMG (Bertelsmann Music Group) wurde. RCA als Label blieb aber stets bestehen – heute unter dem Dach von SONY.
Ich sah mir die Serie also an und musste die Herren enttäuschen – in der Serie hört man nämlich nicht Elvis im Original, sondern Ronnie Mc Dowell, genau den Mann, den man in den USA schon 1979 als Sänger für den Film ELVIS The Movie mit Kurt Russel in der Hauptrolle verpflichtet hatte, weil Elvis Presley Enterprises die Rechte an Elvis Originalstimme nicht erteilt hatte. Hier ein Ausschnitt aus der TV-Serie ELVIS mit Michael St. Gerard als Elvis auf der Bühne und Ronnie McDowell, der dem King die Stimme zu Baby Let’s Play Houseleiht – sozusagen eine St. Gerard/Mc Dowell-Koproduktion:
https://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2016/07/Hits-der-Deutschen-Charts-1000.jpg9831000memphisflashhttps://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/05/The-Memphis-Flash-Elvis-Presley-Blog-300x41.gifmemphisflash2015-07-18 08:30:432021-06-13 10:56:52Helmut Radermacher präsentiert: Elvis The King – Die Hits der deutschen Charts
Taking Care of Business heißt es für Elvis Presley vom 14. bis 16. August 2015. Denn an diesem verlängerten Wochenende hat er eine der wichtigsten Verabredungen im Jahr, und zwar die mit seiner immer noch stattlichen europäischen Fangemeinde in der schönen deutschen Wetterau. Also genau dort, wo er vom 1. Oktober 1958 bis 2. März 1960 als G.I. der 3. US-Panzerdivision stationiert war. Dienst tat der King damals in den Friedberger Ray Barracks, als Wohnort wählte er Bad Nauheim (→ Wandeln auf Elvis‘ Pfaden in Bad Nauheim). So wurde die beschauliche Kurstadt schon in den 1950ern zu → Kings Town – zu Elvis Presleys Graceland East.
European Elvis Festival in Bad Nauheim: Selbst das Rathaus hisst die Elvis-Flagge
1950s meet 1970s: Stilecht gekleidete Festivalbesucher sorgen für viel Flair
Schöne Rückenansichten beim European Elvis Festival
Die TCB-Band zu Elvis' Lebzeiten v.l.u.n.r.: Bassist Jerry Scheff, Schlagzeuger Ronnie Tutt, Lead-Gitarrist James Burton, Rhythmus-Gitarrist John Wilkinson und Pianist Glen D. Hardin
Pianist Glen D. Hardin umringt von Fans in Bad Nauheim 2013
Die TCB-Band bei der Talkrunde Bad Nauheim 2013 v.l.n.r.: Glen D. Hardin, Ronnie Tutt und James Burton
Lead-Gitarrist James Burton 2013 beim "Schmusen" mit einem Fan
Empfehlenswert: Führung auf Elvis' Pfaden durch Bad Nauheim
Auto-Korso mit Elvis auf dem Rücksitz: European Elvis Festival 2012
Bodyguard Sam Thompson mit Elvis Presley in den 1970ern
Das wiederholt sich seit 2002 jedes Jahr Mitte August, wenn Bad Nauheim das European Elvis Festival feiert. Dann werden in Bad Nauheim die Elvis-Fahnen gehisst und ein buntes Festivalprogramm bietet Fans und solchen, die vom King noch erobert werden wollen – ein paar Widerspenstige soll’s ja geben 😉 -, viel Unterhaltung und noch mehr Spaß mit Auftritten von Elvis‘ ehemaligen Bandmitgliedern, Elvis-Kino-Sessions, Cadillac-Corsos und Führungen zu Elvis‘ Lieblingsplätzen in Bad Nauheim.
Längst hat das Festival Kultstatus erreicht und zieht Fans aus ganz Europa und sogar Australien und den USA an. Veranstaltet wird das European Elvis Festival übrigens von der Bad Nauheim Stadtmarketing und Tourismus GmbH in Zusammenarbeit mit der Elvis Presley Gesellschaft e.V., die ihren Sitz in Bonn hat. Mehr zum Konzept des Festivals in meinem → Interview mit den Machern aus 2014.
Das diesjährige Festivalprogramm (siehe unten) gleicht dem des Festivaljahres 2013. Das liegt vor allem an dem Highlight, nämlich Konzert, Talkrunde und Autogrammstunde mit Mitgliedern von Elvis Presleys berühmter → TCB-Band. Das ist die Band, mit der der King von 1969 bis 1977 praktisch all seine Live-Konzerte bestritt und mit der er in den Dokumentarfilmen Elvis That’s The Way It Is (1970), Elvis On Tour (1972) sowie dem berühmten Satelliten-Special Aloha From Hawaii(1973) zu sehen ist. Diese rüstigen und dabei sehr witzigen Herren sollte man sich nicht entgehen lassen. Mit dabei in diesem Jahr außerdem mit Terry Blackwood ein Originalmitglied der Gospel-Gesangsgruppe The Imperials, die Elvis nicht nur auf dem Weg zu seinem ersten → Grammy begleitet hat.
Nicht mit von der Partie ist diesmal allerdings TCB-Schlagzeuger Ron Tutt, denn der ist wegen einer Tournee mit Neil Diamond leider verhindert. Kein Witz: Die noch aktiven Mitglieder der TCB-Band haben Elvis‘ Motto Taking Care of Business in a Flash längst verinnerlicht und sind selbst im Alter von über 70 noch ganz vorne mit dabei.
Als Ersatz für Ron Tutt ist Sam Thompson am Start. Er arbeitete in den 1970ern als Bodyguard Elvis Presleys und ist außerdem Bruder von Linda Thompson, Lebensgefährtin des King zwischen 1972 und 1976. Hier darf man sich auf viele Anekdoten aus der königlichen Privatschatulle gefasst machen. Sam ist eloquent, sehr umgänglich und hat einen interessanten Werdegang.
https://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/07/EEF-2015_Logo-1000.jpg10001000memphisflashhttps://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/05/The-Memphis-Flash-Elvis-Presley-Blog-300x41.gifmemphisflash2015-07-08 09:47:512022-03-03 19:43:3214. European Elvis Festival 2015 oder TCB in Graceland East
Elvis Presley war seine gesamte erfolgreiche Karriere hindurch ein reiner Songinterpret. Er trat nie als Singer/Songwriter in Erscheinung, wie das etwa bei seiner Tochter Lisa Marie Presley der Fall ist. Von seinen mehr als 700 Liedern hat Elvis Presley kein einziges selbst komponiert.
Songinterpret Elvis Presley: „It ain’t a song until you sing it“
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er bei der ein oder anderen Aufnahme durchaus als Co-Autor genannt wurde und in manchen Fällen tatsächlich konkrete Songideen an Komponisten herantrug, die sie dann für ihn umsetzten. So geschehen etwa im Fall von That’s Someone You Never Forget und You’ll Be Gone.
»Es wird erst dann zum Song, wenn du singst«
Nein, von Elvis Presley gibt es keine einzige Eigenkomposition im klassischen Sinne. Er hat daraus auch nie einen Hehl gemacht und schon früh in einem Interview klargstellt, dass anderslautende Angaben seiner Plattenfirma nichts weiter wären als ein „hoax“ (eine Falschmeldung) und er auch künftig nicht vorhätte, eigene Songs zu schreiben, auch wenn er dies wahrscheinlich könnte, wenn er es denn nur ernsthaft versuchen wollte.
„It ain’t a song until you sing it“, war das Credo des King. Damit stellte er die Song-Interpretation klar über die Komposition – die Komposition war für ihn eine frei interpretierbare Vorlage, mit der es kreativ zu arbeiten galt. Anders ausgedrückt: Papier ist geduldig – Musik entsteht, indem man sie macht!
Trotzdem ist Elvis Presley bei der Mehrzahl der rund 130 Komponisten verschiedenster Musikrichtungen, die Ken Sharp für sein absolut lesenswertes Buch Writing For The King (2006) interviewt hat, bis heute hoch angesehen. Weitgehend übereinstimmend attestieren sie Elvis Presley neben gesanglichen Qualitäten eine seltene Gabe: Die Essenz eines oft nur einmal gehörten Songs so zu erfassen, zu verinnerlichen und umzusetzen, dass er ganz und gar zu seinem Song wurde.
Eine Komposition im Portfolio zu haben, die Elvis Presley interessant genug fand, sie aufzunehmen, galt und gilt als Auszeichnung für Komponisten. Davon abgesehen war es sehr lukrativ – trotz der speziellen Rahmenbedingungen, die damit teilweise einhergingen (→ Soundtrack vs. Drehbuch), wie etwa die Abtretung eines Teils der Autorenrechte und den daraus resultierenden Tantiemen.
Sid Tepper in jungen Jahren
Sehr erfolgreich als Komponisten Duo: Sid Tepper (rechts) und Roy Bennett - Foto: Writing For The King von Ken Sharp
"Western Union" von Sid Tepper und Roy Bennett - Foto: Writing For The King von Ken Sharp
Wer sind Sid Tepper und Roy Bennett?
Einer der eher weniger bekannten Elvis-Komponisten ist der vor wenigen Wochen im Alter von 96 Jahren verstorbene Sid Tepper (1918 – 2015). Tepper arbeitete mit seinem Partner Roy C. Bennett – ganz ähnlich wie das berühmte Duo Jerry Leiber und Mike Stoller – für den New Yorker Musikverlag Hill and Range Songs der Brüder Jean und Julian Aberbach. Unter dem Dach von Hill and Range waren seit Ende 1955 die Musikverlage Gladys Music und Elvis Presley Music angesiedelt, an denen der Memphis Flash zu 50% beteiligt war. In gewissem Sinne war Elvis Presley also auch Musikverleger, einer, für den gleich eine ganze Reihe von Komponisten arbeiteten.
Sid Tepper und Roy Bennett haben neben dem fleißigen Ben Weisman mit über 40 Kompositionen die meisten Songs überhaupt für Elvis Presley komponiert, aber es ist kein Megahit darunter. Trotzdem sind eine ganze Reihe davon vor allem bei Elvis-Filmliebhabern sehr bekannt und beliebt, denn Sid und Roy haben in erster Linie situationsbedingte Songs für das typische Elvis-Musical der 1960er komponiert. Zu den bekanntesten dürften diese drei gehören.
https://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2016/06/Sid-Tepper-1000.jpg6671000memphisflashhttps://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/05/The-Memphis-Flash-Elvis-Presley-Blog-300x41.gifmemphisflash2015-06-26 13:47:302022-02-26 18:37:59Writing for the King: Sid Tepper und Roy Bennett
Nein, zum Windhund inspiriert hat Leiber und Stoller die Sängerin Willie Mae Thornton mit dem schönen Spitznamen „Big Mama“. Und das kam so: Jerome „Jerry“ Leiber (1933 – 2011) und Mike Stoller (*1933) – zwei weiße Jungs von Amerikas Ostküste – mit einer großen Vorliebe für Blues und Rhythm & Blues, lernten sich Anfang der 1950er auf dem College in Los Angeles kennen. Sie taten sich als Komponisten-Duo zusammen und hatten schon bald, noch nicht einmal volljährig, mit Charles Browns Hard Times (1952) einen ersten Hit.
In der Folge wurde der Sänger, Bandleader und Musikproduzent Johnny Otis (alias Ioannis Alexandres Veliotes, 1921 – 2012) auf die beiden aufmerksam und beauftragte sie damit, für die vorwiegend afroamerikanischen Sänger seiner Band, darunter 1952 auch Otis‘ Neuentdeckung Willie Mae Thornton (1926 – 1984), Songs beizusteuern.
Hound Dog-Ideengeber Johnny Otis mit Band
Hound Dog-Inspiration Willie Mae "Big Mama" Thornton
Hitmacher Elvis Presley mit den Komponisten Jerry Leiber und Mike Stoller 1957
Bear Cat trifft Hound Dog: Rufus Thomas und Elvis Presley haben Spaß in Memphis 1956
Hound Dog-Parodist Sam Phillips in seinem berühmten Aufnahmestudio in der Union Avenue
Der ganz andere Hound Dog von Freddie Bell and The Bellboys
Big Mamas ganz persönlicher Windhund
Gesagt – getan. Im Sommer 1952 trafen Leiber und Stoller bei Proben von Otis‘ Band erstmals auf Willie Mae und waren spontan beeindruckt. Die Dame, für die schnell ein Song her musste, war nämlich eine ordentliche Wuchtbrumme mit einer beeindruckenden Stimme und einem selbstsicheren Auftreten, das fast etwas Furchterregendes hatte, wie das Duo später zu Protokoll gab.
Thornton war eine starke afroamerikanische Frau aus Alabama, die sich so schnell nichts sagen ließ, schon gar nicht von zwei weißen „Bübchen“ von der Ostküste. Ihre Karriere hatte Willie Mae in den 1940ern gestartet. Bevor sie sich mit Johnny Otis zusammentat, war die Rhythm & Blues-Sängerin vor allem mit der Sammy Greens Hot Harlem Revue quer durch die Südstaaten unterwegs. In der Revue trat Willie Mae, die außerdem sehr gut Mundharmonika spielte, als Sängerin und Komödiantin auf. Bei ihren Auftritten trug sie schon mal Männerkleidung und spielte mit etablierten Geschlechterrollen.
Wie dem auch sei: Auf Leiber und Stoller verfehlte der erste persönliche Eindruck von Willie Mae – alias Wuchtbrumme „Big Mama“ – seine Wirkung jedenfalls nicht. Die Komponisten setzen ihr Erlebnis flugs in Hound Dog um mit einem ordentlich doppelbödigen Liedtext, bei dem sich eine Frau wohl weniger über ihr Haustier als ihren Liebhaber beklagt, einen nichtsnutzigen Gigolo, der sie sich von ihr durchfüttern lässt und den sie besser schnell endgültig vor die Tür setzen sollte. Dabei spart der minimalistische Text vom Windhund in bester R&B-Tradition nicht mit sexuellen Anspielungen (wag your tail / snoopin‘ round my door).
Hound Dog(1952)
You ain’t nothing but a hound dog
Been snoopin‘ round my door
You ain’t nothing but a hound dog
Been snoopin‘ round my door
You can wag your tail
But I ain’t gonna feed you no more
You told me you was high class
But I could see through that
She told me you was high class
But I could see through that
And daddy I know
You ain’t no real cool cat
You made me feel so blue
You made me weep and moan
You made me feel so blue
You made me weep and moan
Cause you ain’t looking for a woman
All you’re lookin‘ is for a home
1990 ließ Jerry Leiber in einem Interview verlauten, dass es keine Viertelstunde gebraucht hätte, um Hound Dog zu komponieren, schließlich sei es ja auch kein besonders kompliziertes Stück. Entstanden ist der Windhund spontan nach der Begegnung mit Willie Mae auf der Rückfahrt im Auto vom Studio zu Stollers Apartment, so die Version der beiden Komponisten.
Nur einen Tag nach der 1. Begegnung mit Thornton fand am 13. August 1952 bei Radio Recorders Annex in Los Angeles die Aufnahmesession von Hound Dog statt, bei der Leiber und Stoller – wie später bei Elvis Presleys Jailhouse Rock-Session – eine aktive Rolle übernahmen. Nach Aussage der Komponisten leiteten sie die Session, an der Johnny Otis-Band – mit Otis am Schlagzeug – beteiligt war.
Ordentlich auf die Sprünge geholfen haben wollen Leiber und Stoller Big Mama bei der Aufnahme von Hound Dog im August 1952, weil sie den Song zunächst eher im Sinatra-Stil croonen wollte. Willie Mae Thornton hat dies später selbst in einem Interview energisch zurückgewiesen, indem sie darauf verwies, dass die beiden „weißen Jungs“ im Grunde nichts als ein bisschen Text auf Papier dabei gehabt hätten, der Rest sei ihre Interpretation, ihr kreativer Input. Vor allem der klasssiche Blues Talk in der Aufnahme und das Heulen und Bellen der Otis-Band im Hintergrund ginge auf sie zurück.
Das macht Sinn, wenn man sich die Intensität ihrer Interpretation anhört: Der Song lebt vor allem von ihrer prägnanten Stimme, von ihrem originärem Stil, begleitet nur von Gitarre, Bass und Schlagzeug. Big Mama brauchte nur 2 Aufnahmeversuche, um den einzigen richtigen Hit ihrer Karriere auf Platte zu bannen. Hier ist er – veröffentlicht Anfang 1953 bei Peacock Records, wo sie seit 1951 unter Vertrag war.
Willie Maes Hound Dog – von Billboard als „a wild and exciting rhumba blues“ beschrieben, konnte sich 14 Wochen in Billboards R&B-Charts halten, davon 7 auf Platz 1. In der afroamerikanischen Gemeinde war Hound Dog zwischen März und Juli 1953 ein Renner – vom Musikmagazin Cash Box zum Best Rhythm and Blues Song of 1953 gewählt. Entsprechend gut soll sich die Platte verkauft haben, wobei Willie Mae Thornton Zeit ihres Lebens nur einmalig ein Honorar von ein paar Hundert USD für ihre Aufnahme erhalten haben will, wie sie in einem Interview äußerte. Besonders bitter ist das, da sie auch in ihrer weiteren Karriere eher glücklos war – ihre Eigenkomposition Ball and Chains wird viel eher mit Janis Joplin in Verbindung gebracht.
Selbst die Komponisten Leiber und Stoller wollen mit dem Windhund erst dick im Geschäft gewesen sein, als Elvis Presley mit seiner Interpretation 1956 weit über die Rhythm & Blues-Charts hinaus seinen Megahit landete, der witzigerweise nur wenig mit Leibers, Stollers und Big Mamas Version zu tun hat – dazu später mehr. Dafür brachte er aber Johnny Otis erneut auf den Plan, der infolge des Presley-Hits an das Komponisten-Duo als Auftraggeber und Co-Autor des Originals finanzielle Ansprüche stellte. Allerdings kam Johnny Otis mit seiner Klage nicht durch. Letzteres wohl deshalb, weil Leiber und Stoller zum Zeitpunkt ihre Zusammenarbeit mit Otis noch gar nicht volljährig und damit nicht geschäftsfähig waren. Man merkt schon: Das Musikgeschäft war immer schon ein ordentlich schlüpfriges Pflaster.
Windhund trifft Katze: Rufus Thomas‘ Bear Cat als Antwort auf Hound Dog
Willie Maes Windhund jedenfalls bekam schon drei Jahre bevor Elvis Presley mit seinem Auftritt in der Milton Berle Show 1956 für nationalen Aufruhr sorgte ordentlich Gegenwind, und zwar in Form des Songs Bear Cat, aufgenommen ausgerechnet in Sam Phillips legendären SUN-Studio alias Memphis Recording Service, in dem Elvis Presley im Sommer 1953 das erste Mal auftauchen und wo er 1954 seine Profikarriere starten sollte. Was für ein Zufall… Der ehemalige Radiomoderator Sam Phillips (1923 – 2003) hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon einen Namen gemacht als weißer Studioinhaber, der in Memphis vor allem afroamerikanische R&B-Künstler produzierte – Bear Cat sollte 1953 der erste richtige Hit seines SUN-Labels werden.
https://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2016/06/willie-mae-big-mama-thornton-teaser.jpg6741000memphisflashhttps://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/05/The-Memphis-Flash-Elvis-Presley-Blog-300x41.gifmemphisflash2015-06-14 18:25:492021-06-13 11:26:36Hound Dog vor Elvis: Mann und Frau wie Hund und Katze
Am 5. Juni 1956 versetzte Elvis Presley die amerikanische Fernsehnation in Aufruhr. Das gelang ihm mit der knapp zweieinhalb Minuten langen, sehr dynamischen Parodie eines Rhythm-and-Blues-Songs, den die Songwriter Jerry Leiber und Mike Stoller Anfang der 1950er ursprünglich für Sängerin Willie Mae „Big Mama“ Thornton komponiert hatten: Hound Dog.
Elvis Presleys Live-Auftritt in Milton Berles beliebter TV-Show am Dienstag, den 5. Juni 1956, katapultierte den 21-jährigen Nachwuchssänger aus den Südstaaten mit einem Schlag in das Bewusstsein der breiten amerikanischen Öffentlichkeit und machte ihn zu einer kontrovers diskutierten Figur, zum enfant terrible der Rock ’n‘ Roll-Generation. 40 Millionen US-Amerikaner (bei einer Gesamtbevölkerung von damals rund 169 Mio.) sollen den Auftritt zur besten Sendezeit in „Uncle Miltie’s“ Varieté-Show gesehen haben. „Elvis the Pelvis“ war geboren.
Bis heute gehört der nationale Aufreger von 1956 zu den bekanntesten Performances des King und ist fester Bestandteil der amerikanischen Popkultur. Als solcher wird er etwa in Robert Zemeckis oscarträchtigem Filmklassiker Forrest Gump (1994) mit Tom Hanks in der Hauptrolle beschworen. Am 5. Juni 1956 schrieb Elvis Presley also ein weiteres Mal Geschichte (→ Spotlight 5. Juli 1954). Höchste Zeit, dem „Windhund“ hier im Blog ein mehrteiliges Special zu widmen. Im 1. Teil geht es heute um Elvis‘ Auftritte in der Milton Berle Show am 3. April und 5. Juni 1956.
Vorspiel April 1956: Elvis trifft Mr. Television
Elvis Presleys Wechsel vom regionalen Plattenlabel SUN zum etablierten New Yorker Label RCA Ende 1955 und die im Januar 1956 folgenden ersten Live-Auftritte im nationalen TV gaben der Karriere des Nachwuchsstars den entscheidenden Schub. War er bis dahin vor allem in den Südstaaten bekannt, machten ihn seine erste RCA-Single Heartbreak Hotel/I Was The One, das Debütalbum Elvis Presley und die ersten TV-Auftritte in Jimmy und Tommy Dorseys Stage Show (Januar bis März 1956) in nur wenigen Monaten zum nationalen und schnell auch zum internationalen Superstar.
Einer von zwei Triple Crown Awards für Heartbreak Hotel, 12. Mai 1956
Als Elvis im Frühjahr 1956 in San Diego zum ersten Mal auf Milton Berle traf, um am 3. April zusammen mit seiner Band bestehend aus Gitarrist Scotty Moore, Bassist Bill Black und Drummer D.J. Fontana in Berles Show beim TV-Sender NBC aufzutreten, hatte er mit Heartbreak Hotel bereits einen Nummer-1-Hit in Billboards Country-Charts eingefahren, einen weiteren Rang 1 in den Pop-Charts sowie zwei Triple-Crown-Awards für Heartbreak Hotel auf den Weg gebracht.
Inzwischen kletterte auch das Debütalbum Elvis Presley in den Albumcharts eifrig nach oben, wo es Anfang Juni die Nummer 1 wurde. Kein Wunder also, dass Milton Berle dem Publikum seiner Show den jungen Gast aus Memphis als „America’s new singing sensation“ vorstellte.
War Elvis‘ zu diesem Zeitpunkt eindeutig auf einem aufsteigenden Ast, war die lange Karriere des Komikers Milton Berle (1908–2002) 1956 eher im Sinkflug begriffen. Dabei war Berle ein richtiger Tausendsassa. Er hatte sich schon als Kinderstar in der Stummfilmära einen Namen gemacht, war in jungen Jahren bereits erfolgreich am Broadway, reüssierte im Vaudeville, der US-amerikanischen Spielart des Varietés, und konnte sich in den 1930ern als Stand-Up-Comedian etablieren.
Bevor Berle Ende der 1940er das Medium Fernsehen für sich entdeckte – seine Milton Berle Varieté-Show erreichte teilweise bis zu 80 Prozent des amerikanischen Fernsehpublikums -, war er mit verschiedenen eigenen Radiosendungen erfolgreich.
Milton Berle ca. 1950
Bei aller Vielseitigkeit bleib Berle sich stets treu: Er war ein Slapstick-Komiker und tief dem US-Vaudeville verbunden. Berle gilt heute als einer der ersten Superstars der TV-Ära in den USA, was ihm früh den Spitznamen „Mr. Television“ einbrachte. Bekannt ist er auch als „Uncle Miltie“, ein Name, den er selbst mit einem Standardspruch für seine jugendlichen Zuschauer prägte: „Listen to your Uncle Miltie and go to bed„. Das Ende von Berles Ära als Mr. Television setzte ein, als Konkurrenzsender CBS 1955 die bald sehr populäre TV-Serie The Phil Silvers Show dienstags zur selben Sendezeit ins Rennen schickte. Die witzige Phil Silvers Show war neu, die Milton Berle Show war es jetzt nicht mehr.
Die Idee, den schwindenden Quoten der Milton Berle Show 1956 mit Elvis Presley auf die Sprünge zu helfen, war naheliegend, da RCA – Elvis‘ Plattenlabel – zugleich auch Sponsor der Milton Berle Show war. Und so kam es, dass sich Elvis am 3. April 1956 in „Uncle Miltie’s“ Varieté-Show wiederfand, die vom Deck eines Flugzeugträgers der US-Marine aus, der U.S.S. Hancock vor San Diego, auf Sendung ging.
Das Live-Publikum vor Ort bestand in erster Linie aus Angehörigen der US-Marine. Ganz typisch für Berles Varieté-Show trat auch an diesem Abend eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Gäste in bunter Reihenfolge auf, darunter Badenixe Esther Williams. Das Ganze garniert mit viel Stand-Up-Comedy von Berle, dessen Spezialität neben abgefahrenen Kostümen die schrägen Sketche mit seinen Gästen waren. Damit machte er auch vor Elvis nicht halt, wie in diesem Video zu sehen ist, in dem Milton Berle Elvis‘ Zwillingsbruder Melvin gibt:
Der Sketch ist aus heutiger Sicht ziemlich antiquiert, aber was man gut sehen kann, ist, dass Elvis und Milton Berle sich offensichtlich sympathisch waren. Im Vergleich zur Interaktion mit anderen Moderatoren, etwa Steve Allen oder Ed Sullivan, wirkt Elvis Presley hier sehr entspannt, natürlich und selbstsicher. Miltons Humor mag nicht jedermanns Sache gewesen sein, aber bösartig war er sicher nicht. Zudem verhielt sich der selbst ziemlich abgefahrene Gastgeber weder bei den Proben noch bei der Show von oben herab oder machte Anstalten, die dynamichen Auftritte seines Gastes in irgendeiner Form zu beeinflussen oder gar zu zensieren, wie das später der Fall sein sollte. Im folgenden Video ist Elvis‘ mit Heartbreak Hotel am 3. April 1956 zu sehen.
5. Juni 1956: Hound Dog oder wie ein Windhund einen Sturm auslöst
Elvis und Milton Berle waren also eine ziemlich gute Kombination: Sie profitierten gleichermaßen von der Zusammenarbeit. Milton in Form gestiegener Einschaltquoten, die er dringend benötigte, und Elvis durch die Steigerung seiner Bekanntheit, was sich positiv auf die Chartpositionen und Abverkäufe seiner Platten auswirkte. Eine klare Win-Win-Situation also. Daher war es für Milton Berle auch überhaupt keine Frage, Elvis zu einer zweiten Show am 4. Juni 1956 einzuladen und gleich noch einmal das Honorar zu erhöhen.
https://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2016/06/elvis-presley-5-juni-milton-berle-show.jpg796988memphisflashhttps://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/05/The-Memphis-Flash-Elvis-Presley-Blog-300x41.gifmemphisflash2015-06-04 20:11:182021-06-13 11:28:25Elvis in der Milton Berle Show 1956: You ain’t nothing but a Hound Dog
Vor ein paar Wochen habe ich Shelley Pearsalls Roman All Shook Up (2008) als ein humorvolles Beispiel aus der amerikanischen Kinder- und Jugendbuchliteratur vorgestellt, in dem Elvis Presley als erzählerisches Motiv eingesetzt wird, um einen Vater-Sohn-Konflikt auf den Punkt zu bringen.
Ganz ähnlich wie im Fall der 15-jährigen Antje aus Jana Scheerers deutschem Roman Mein innerer Elvis (2010) dient Josh Greenwoods „Begegnung mit Elvis“ in All Shook Up als Katalysator für den Prozess des Erwachsenwerdens. Beiden Jugendbüchern gemeinsam sind bei aller Ernsthaftigkeit in der Bearbeitung des Themas die erfrischende Leichtigkeit und der Humor, mit denen von den Problemen der jugendlichen Protagonisten erzählt wird.
Kinderlieb: Elvis Presley ganz privat mit dem männlichen Nachwuchs eines befreundeten Ehepaars in Deutschland 1959 – Foto: Chris Karmedar
Über die Begegnung mit Elvis – im Fall von Josh ist es eher eine Konfrontation – lernen sowohl die 15-jährige Antje als auch der 13-jährige Josh etwas Entscheidendes für ihre Entwicklung hinzu. Anders ausgedrückt: Die Begegnung und Auseinandersetzung mit Elvis ist sowohl für Antje aus Hamburg, die aktiv auf der Suche nach ihrem „inneren Elvis“ ist, als auch Josh aus Boston, dem Elvis einfach passiert, letztlich ein Gewinn.
Elvis verschwindet: Daniel und der Verlust der Kindheit
Der ehemalige Fußballspieler Robert Jüttner (*1959) geht das Thema Erwachsenwerden in seinem Romanerstling Elvis verschwindet (2012) anders an als beispielsweise Shelley Pearsall in All Shook Up und Jana Scheerer in Mein innerer Elvis. Zwar geht es in seiner Bearbeitung auch um den Prozess des Erwachsenwerdens, der wird allerdings viel stärker als schmerzhafter und vor allem als sehr verlustreicher Prozess geschildert.
In Jüttners Roman um den 17-jährigen Daniel Nawrat steht das „Verschwinden von Elvis“ vor allem für den Verlust der Kindheit als einen sicheren Ort, in dem sich die Welt, wenn auch nicht als ideal, so doch als einfach und vor allem eindeutig darstellt. Daniels Weltsicht – Elvis verschwindet wird ganz aus der Perspektive des 17-Jährigen erzählt – gerät im Verlauf der Romanhandlung gehörig ins Wanken. Plötzlich ist nichts mehr sicher – nichts ist wirklich so, wie es lange schien. Daniels Welt wird auf den Kopf gestellt.
Entsprechend geht Daniels innere Entwicklung nicht – wie im Falle von Antje und Josh – mit dem Finden von Elvis, sondern mit seinem Verschwinden einher. Soviel schon mal vorab zur Erklärung des Romantitels. Und Josh verliert nicht nur im übertragenen Sinne „seinen Elvis“, er verliert ganz real ihm nahestehende Personen: seine erste große Liebe Sarah und den Vater, die beide sterben. Trotz dieser Gegensätze findet sich bei Jüttner eine zentrale Parallele zu Scheerer und Pearsall: Elvis als Vaterfigur.
Die Geschichte um den 17-jährigen Daniel spielt in Westberlin 1980/81. Daniel lebt mit seiner alleinerziehenden Mutter im Hinterhaus eines – wie er es beschreibt – ziemlich heruntergekommenen Altbaus. Die Mutter, die selbst erst Mitte Dreißig ist, arbeitet als Serviererin, hat wechselnde, meist unglücklich endende Beziehungen zu Männern, raucht und trinkt zu viel. Aber sie hat eine wichtiges Ziel vor Augen: Ihr Junge soll das Abitur machen und es einmal besser haben.
An seinen Vater kann Daniel sich nicht erinnern. Seine Mutter hat ihm erzählt, dass er während eines Urlaubs beim Schwimmen im Meer ertrunken ist. Nur ein Foto ist vom Vater erhalten, es zeigt einen gutaussehenden jungen Mann mit Elvis-Tolle. Die Vorliebe für Elvis ist auch schon alles, was Daniel über seinen Vater weiß. Es ist eine Vorliebe, die Daniel wie selbstverständlich teilt – sein Zimmer ist mit Elvis-Postern gepflastert. Elvis dient als eine Art Ersatzvater.
Väterlichen Rat und Beistand kann Daniel im Zusammenleben mit seiner labilen Mutter gut gebrauchen, denn er selbst ist schüchtern und unsicher, empfindet sich als Außenseiter. Heimlich verknallt ist er in Schulfreundin Sarah, die ihm unerreichbar scheint. Sein einziger richtiger Freund an der Schule ist Johnny, ein großer Fan von Punkrocker Sid Vicious, dem legendären Bassisten der Sex Pistols. Braucht Johnny einen Rat, spricht er mit Sid – Daniel kommuniziert mit Elvis.
https://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/05/robert-juettner-elvis-verschwindet-elvis-in-der-jugendliteratur-memphis-flash.jpg6861030memphisflashhttps://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/05/The-Memphis-Flash-Elvis-Presley-Blog-300x41.gifmemphisflash2015-05-16 20:46:472021-06-13 11:31:35Elvis in der Jugendliteratur: Robert Jüttners ‚Elvis verschwindet‘
Über das besondere Verhältnis von Elvis zu seiner früh verstorbenen Mutter Gladys Love Presley ist schon viel geschrieben worden, ein Aspekt blieb dabei bislang allerdings weitgehend außen vor: Inwieweit gibt es Songinterpretationen, die Elvis seiner geliebten Mutter gewidmet hat? Dieser spannenden Frage geht der englische Journalist und Autor Paul Simpson in seinem englischsprachigen Gastbeitrag für The Memphis Flash nach.
A song for Gladys by Paul Simpson
Written by his friend Red West, Elvis’s criminally underrated ballad That’s Someone You Never Forget sounds like a haunting ode to his much mourned mother. In the spring of 1961, Elvis Presley asked his friend Red West: “How about coming up with a song with the title of That’s Someone You Never Forget?”
West sat down at the piano and did just that. He worked out the melody first and then penned lyrics that, as Peter Guralnick noted in Careless Love, the second volume of his Elvis biography, “contained sentiments that under ordinary circumstances would have been assumed to be about an ex-lover, but in this case it wasn’t much of a stretch to imagine that Elvis might be singing of his mother.”
Elvis mit seiner Mutter Gladys in Memphis 1956 - Foto: Michael Rose: Elvis Presley A Moment In Time
Entspannte Momente: Elvis mit seiner Mutter Gladys 1956 - Foto: Michael Rose: Elvis Presley A Moment In Time
Elvis Presley mit Red West in Deutschland Ende der 1950er
Gladys mit Elvis und Vernon Presley 1937
Gladys mit Elvis 1956
Red was desperate to succeed as a songwriter – Presley had already mentioned his friend’s ambitions to publisher Freddie Bienstock. Knowing how mercurial Elvis could be, West took the song to Gold Star Recording in Hollywood and made a demo that Presley promised to record.
https://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/04/Beitragsfoto-a-song-for-gladys-simpson.jpg6861030Paul Simpsonhttps://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/05/The-Memphis-Flash-Elvis-Presley-Blog-300x41.gifPaul Simpson2015-04-25 00:10:012022-04-10 19:23:21That’s Someone You Never Forget: A song for Gladys?
Weit verbreitet ist die Ansicht, dass Elvis Presley in den 1970ern schlicht nicht mehr viel zu lachen hatte. Meistens depressiv und einsam soll er nach der Scheidung von seiner Ehefrau Priscilla im Oktober 1973 bis zu seinem frühen Tod 1977 gewesen sein. Dass es ganz so schlimm wohl nicht gewesen ist, davon kann sich mittlerweile jeder selbst ein Bild machen, etwa beim Reinhören in Aufnahmen, die im Dezember 1973 im Stax-Studio in Memphis gemacht wurden. Wer Spaß an Elvis‘ Lachversion von Are You Lonesome Tonight hat, der kommt hier garantiert auf seine Kosten.
Ein gut gelaunter Elvis im Dezember 1973
Elvis im Stax-Studio in Memphis
Der 16. Dezember 1973 war ein Sonntag. Ein Sonntag, an dem Elvis Presley arbeitete, und zwar im berühmten Stax Studio in Memphis, nur wenige Autominuten von Graceland entfernt. Dieser 16. Dezember und die frühen Morgenstunden des 17. Dezembers markieren den Schlusspunkt einer produktiven Serie an Sessiontagen, die am Montag zuvor mit der Aufnahme von I Got A Feeling In My Body (→ Boxset Elvis At Stax) begann und mit She Wears My Ring endete.
Volle 18 Songs sang Nachteule Elvis in den späten Abendstunden und Nächten dieser einen Woche ein. She Wears My Ring ist darunter sicher nicht die bekannteste Aufnahme – der Titel dürfte an den Hit Promised Land gehen -, aber wie kaum eine andere bringt sie die gute Atmosphäre der Sessions im Dezember 1973 auf den Punkt. Die ausgelassene Stimmung während der Dezember-Session haben gleich eine ganze Reihe der Musiker, die damals mit von der Partie waren, beschriebe, haben.
https://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/04/She-wears-my-ring.jpg6861030memphisflashhttps://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/05/The-Memphis-Flash-Elvis-Presley-Blog-300x41.gifmemphisflash2015-04-14 20:31:282021-12-10 18:39:56She Wears My Ring oder Good Times mit Elvis im Stax Studio 1973
Es gibt Songinterpretationen von Elvis Presley, die ich nie satt bekomme, egal wie oft ich sie höre. Eine davon passt ganz wundervoll zu Ostern, denn es ist ein Gospel: Stand by Me. Nicht zu verwechseln mit Ben E. Kings gleichnamigen Hit von 1961 aus der Feder des legendären Autorenteams Jerry Leiber und Mike Stoller, das auch für Elvis viele Hits geschrieben hat.
Elvis Presley 1966
Nein, das Stand By Me, das ich meine, wird gerne als Traditional bezeichnet und stammt aus der Feder von Rev. Charles Albert Tindley (1851–1933). Tindley war Pfarrer in der Glaubensgemeinschaft der Methodisten an der amerikanischen Ostküste und komponierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine ganze Reihe vor allem in den USA bis heute sehr bekannter religiöser Lieder. Darunter neben Stand by Me auch We’ll Understand It Better By and By – beide Songs hat Elvis Presley im Frühjahr 1966 für sein Album How Great Thou Artadaptiert.
https://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/04/Stand-by-Me-Beitragsfoto.jpg6861030memphisflashhttps://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/05/The-Memphis-Flash-Elvis-Presley-Blog-300x41.gifmemphisflash2015-04-04 18:31:222022-04-10 20:05:28The Gospel Side of Elvis: Stand by Me
Am 23. September 1958 steht es in der Wetterauer Zeitung: Presley kommt nach Friedberg. Was hier so leidenschaftslos kurz und knapp in 7 Zeitungszeilen verkündet wird, versetzt die Wetterauer Fans des King of Rock ’n‘ Roll in einen emotionalen Ausnahmezustand. Elvis Presley wird nicht nur als GI der US-Armee in Westdeutschland stationiert – das allein ist schon wie ein Lotteriegewinn -, nein, er wird seinen Wehrdienst ganz in ihrer Nähe, in den Friedberger Ray Barracks, ableisten.
GI Elvis Presley in Deutchland – Foto: Schüssler
Der Elvis kommt!
Plötzlich ist der Megastar aus dem fernen Amerika ganz nah: Das beschauliche Friedberg und die Kurstadt Bad Nauheim werden für gut 17 Monate die deutsche Heimat des King. Einer seiner ganz großen Fans ist Elvira Schmitt, 1958 süße 10 Jahre alt. Bis kurz vor Elvis‘ Ankunft hat sie mit ihrer Familie in Bad Nauheim gewohnt, nicht weit von der Goethestraße 14 entfernt, wo der King mit Familie und Bodyguards seit Anfang 1959 in einem Privathaus zur Miete wohnt.
Doch ausgerechnet jetzt, wo Elvis zum Greifen nah ist, muss Elvira mit der Mutter zur Oma aufs Land ziehen. 13 Kilometer trennen sie jetzt von ihrem Idol. Das klingt nicht nach viel, aber für eine 10-Jährige im grauen Nachkriegsdeutschland der 1950er könnten es ebenso gut 3.000 Kilometer sein. Wie soll sie nach Bad Nauheim kommen? Die Mutter erlaubt es nicht. Zum Elvis, diesem „heulenden Derwisch“, dem die Jugend verderbenden Symbol für Rebellion, dem amerikanischen Besatzer – auf gar keinen Fall!
https://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/03/Elviras-Sonntag-mit-Elvis.jpg6861030memphisflashhttps://www.memphisflash.de/wp-content/uploads/2015/05/The-Memphis-Flash-Elvis-Presley-Blog-300x41.gifmemphisflash2015-03-25 20:15:372021-08-29 19:34:20Elviras Sonntag mit Elvis
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