Writing for the King: Sid Tepper und Roy Bennett
Elvis Presley war seine gesamte erfolgreiche Karriere hindurch ein reiner Songinterpret. Er trat nie als Singer/Songwriter in Erscheinung, wie das etwa bei seiner Tochter Lisa Marie Presley der Fall ist. Von seinen mehr als 700 Liedern hat Elvis Presley kein einziges selbst komponiert.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er bei der ein oder anderen Aufnahme durchaus als Co-Autor genannt wurde und in manchen Fällen tatsächlich konkrete Songideen an Komponisten herantrug, die sie dann für ihn umsetzten. So geschehen etwa im Fall von That’s Someone You Never Forget und You’ll Be Gone.
»Es wird erst dann zum Song, wenn du singst«
Nein, von Elvis Presley gibt es keine einzige Eigenkomposition im klassischen Sinne. Er hat daraus auch nie einen Hehl gemacht und schon früh in einem Interview klargstellt, dass anderslautende Angaben seiner Plattenfirma nichts weiter wären als ein „hoax“ (eine Falschmeldung) und er auch künftig nicht vorhätte, eigene Songs zu schreiben, auch wenn er dies wahrscheinlich könnte, wenn er es denn nur ernsthaft versuchen wollte.
„It ain’t a song until you sing it“, war das Credo des King. Damit stellte er die Song-Interpretation klar über die Komposition – die Komposition war für ihn eine frei interpretierbare Vorlage, mit der es kreativ zu arbeiten galt. Anders ausgedrückt: Papier ist geduldig – Musik entsteht, indem man sie macht!
Trotzdem ist Elvis Presley bei der Mehrzahl der rund 130 Komponisten verschiedenster Musikrichtungen, die Ken Sharp für sein absolut lesenswertes Buch Writing For The King (2006) interviewt hat, bis heute hoch angesehen. Weitgehend übereinstimmend attestieren sie Elvis Presley neben gesanglichen Qualitäten eine seltene Gabe: Die Essenz eines oft nur einmal gehörten Songs so zu erfassen, zu verinnerlichen und umzusetzen, dass er ganz und gar zu seinem Song wurde.
Im Grunde spielte es für Elvis Presley keine große Rolle, ob Songs explizit für ihn komponiert wurden oder nicht. Er machte ebenso Elvis-Hits aus Liedern, die für andere Künstler gedacht waren, wie aus solchen, die ihm aufs königliche Wams komponiert wurden.
Eine Komposition im Portfolio zu haben, die Elvis Presley interessant genug fand, sie aufzunehmen, galt und gilt als Auszeichnung für Komponisten. Davon abgesehen war es sehr lukrativ – trotz der speziellen Rahmenbedingungen, die damit teilweise einhergingen (→ Soundtrack vs. Drehbuch), wie etwa die Abtretung eines Teils der Autorenrechte und den daraus resultierenden Tantiemen.
Wer sind Sid Tepper und Roy Bennett?
Einer der eher weniger bekannten Elvis-Komponisten ist der vor wenigen Wochen im Alter von 96 Jahren verstorbene Sid Tepper (1918 – 2015). Tepper arbeitete mit seinem Partner Roy C. Bennett – ganz ähnlich wie das berühmte Duo Jerry Leiber und Mike Stoller – für den New Yorker Musikverlag Hill and Range Songs der Brüder Jean und Julian Aberbach. Unter dem Dach von Hill and Range waren seit Ende 1955 die Musikverlage Gladys Music und Elvis Presley Music angesiedelt, an denen der Memphis Flash zu 50% beteiligt war. In gewissem Sinne war Elvis Presley also auch Musikverleger, einer, für den gleich eine ganze Reihe von Komponisten arbeiteten.
Sid Tepper und Roy Bennett haben neben dem fleißigen Ben Weisman mit über 40 Kompositionen die meisten Songs überhaupt für Elvis Presley komponiert, aber es ist kein Megahit darunter. Trotzdem sind eine ganze Reihe davon vor allem bei Elvis-Filmliebhabern sehr bekannt und beliebt, denn Sid und Roy haben in erster Linie situationsbedingte Songs für das typische Elvis-Musical der 1960er komponiert. Zu den bekanntesten dürften diese drei gehören.
Titelsong des Films G.I. Blues (Cafe Europa, 1960)
Beach Boy Blues aus dem sehr erfolgreichen Film Blue Hawaii (Blaues Hawai, 1961)
The Lady Loves Me aus dem Pop Art-Klassiker Viva Las Vegas mit Ann Margret (1964)
Die Karriere als Komponist war Sid Tepper nicht in die Wiege gelegt. 1918 in New York geboren, interessierte er sich zwar früh für Lyrik, die Musik entdeckte er aber erst während seines Wehrdienstes, als er in der US-Armee in den sogenannten Special Services für die Unterhaltung der Truppen eingeteilt war. Nach dem 2. Weltkrieg tat er sich mit seinem Freund aus Kindertagen – Roy Bennett – zum Komponistenduo zusammen. Die beiden arbeiteten ab 1946 zunächst als angestellte Songschreiber für Mills Music, bevor sie sich später selbständig machten und von den Aberbach-Brüdern für Hill and Range entdeckt wurden.
Mehr als 300 Songs haben Tepper und Bennett komponiert. Ihren ersten Hit hatten sie mit Red Roses for A Blue Lady. Das Lied mit einem autobiographischen Hintergrund entstand nach einem Streit Teppers mit seiner Frau und schaffte es mit Versionen verschiedener Interpreten mehrfach in die Billboard-Charts. Ab in die Zeitmaschine – hier kommt die erfolgreiche Interpretation von Vaughn Monroe und seinem Orchester aus den späten 1940ern, die dafür sorgte, dass Ehepaar Tepper unglaubliche 58 Jahre verheiratet war:
1958 hatten Tepper und Bennett einen weiteren Hit mit Kewpie Doll, gesungen von Perry Como, und 1961 einen ihrer größten mit The Young Ones, interpretiert von Cliff Richard.
Neben den genannten haben auch Größen wie Frank Sinatra und Dean Martin Songs von Tepper und Bennett vertont. Bekannt ist zudem das Weihnachtslied Nuttin‘ for Christmas, das von vielen verschiedenen Interpreten gesungen wurde, darunter Shirley Temple und Eartha Kitt. Sogar die Beatles kamen nicht an Tepper und Bennett vorbei – ihr Album 30 weeks in 1963 enthält Glad All Over, ein Song, den das Duo mit Songwriter Aaron Schroeder zu Papier brachte – 1957 vertont von Carl Perkins und nicht zu verwechseln mit dem Hit von Dave Clark Five.
Assoziert werden Tepper und Bennett bis heute aber vor allem mit den über 40 Songs, die sie für Elvis Presley komponierten. Das mag auch daran liegen, dass Tepper sich nach einem Herzinfarkt Ende der 1960er aus dem Musikgeschäft ins Privatleben zurückzog und fortan einfach darauf beschränkte, die erklecklichen Tantiemen aus seiner fast 25 Jahre dauernden Karriere als Komponist einzusammeln. 2002 brachte Plattenlabel BMG International eine CD mit dem Titel Elvis Sings Sid Tepper & Roy Bennett heraus, die sich zu einer gesuchten Sammleredition entwickelte.
Ein Duo für den König: Tepper und Bennett’s Zusammenarbeit mit Elvis
Bleibt die Frage, wie genau sich jetzt die Zusammenarbeit von Tepper und Partner Bennett mit Elvis Presley gestaltete. Der Witz ist: Es gab sie eigentlich nicht, denn Sid Tepper hatte ebenso wenig je persönlich Kontakt mit dem King wie sein Partner Bennett. Da beide in erster Linie Songs für das Elvis-Musical der 1960er komponierten, lief die Zusammenarbeit strikt über die Musikverleger Aberbach in New York. Sobald das Drehbuch für einen Elvis-Film fertiggestellt war, wurde es von Hollywood aus direkt zu Elvis‘ Musikverlegern Hill & Range geschickt, wo es der für Elvis zuständige Freddy Bienstock durchlas und Markierungen einfügte, wo seiner Ansicht nach Songs in die Handlung passen könnten.
Anschließend wurde das Drehbuch etwa ein Dutzendmal kopiert und an verschiedene Komponisten, die für Hill & Range arbeiteten, geschickt. Bis zu 12 Teams komponierten nun – meist unter Zeitdruck – völlig eigenständig möglichst passend zum Drehbuch und zum Thema des Films die Songs und reichten anschließend Demobänder bei Hill & Range ein. Bienstock, der auf diese Weise etwa ein Dutzend Songs für jede im Drehbuch markierte Elvis-Performance hatte, traf dann eine Vorauswahl, d.h. sortierte aus, was Elvis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sofort ablehnen würde, und schickte den Rest der Demos an den Hauptdarsteller des Films nach Memphis.
Elvis Presley traf dann die finale Songauswahl. Nach Aussage Freddy Bienstocks hörte Elvis sich die Demos grundsätzlich an, d.h. traf nie eine Auswahl nur aufgrund des Namens eines Komponisten, auch wenn er schon mehrfach dessen Songs vertont hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt war für die Songwriter also völlig offen, ob sie mit auch nur einer Komposition im Soundtrack des Elvis-Films würden landen können. Wenn nicht, wäre die ganze Arbeit umsonst gewesen, wenn ja, dann war das im Fall von Erfolgsgarant Elvis ein guter Deal. Trotzdem eine sehr spezielle Situation, die für Tepper und Bennett durchaus gewöhnungsbedürftig war, wie Tepper hier erzählt:
„We were handed the scripts amongst other writers. The way it worked was that it was actually a competition. Everybody wrote songs for practically the same scenes. To be honest, it was a little downer feeling that we had to compete with other writeres because Roy and I had a life before Elvis […]“
Sid Tepper in Ken Sharp: Elvis Presley. Writing For The King, Follow That Dream Books 2006
Wie geht man mit so einer Situation um, in der man keine Möglichkeit hat, sich von den Vorlieben des Empfängers der Demobänder ein persönliches Bild zu machen? Man konnte sich beim King selbst also keine Inspiration holen, außer eben andere Aufnahmen von ihm anzuhören. Tepper und Bennett kamen dabei ihre Erfahrung, Schnelligkeit und eine ordentliche Portion Pragmatismus zugute.
„The money spurred us on. I believe we had two or three weeks to come up with songs. Sid and I were very quick and prolific. We once wrote four songs in one day. […] There was no formula. We wrote from our imagination. We were given the scripts and wrote the song to fit the situation.“
Sids Partner Roy Bennett in Ken Sharp: Elvis Presley. Writing For The King, Follow That Dream Books 2006
Irgendwas müssen Sid Tepper und sein Partner wohl richtig gemacht haben, um im Laufe der Jahre so häufig in der finalen Auswahl Elvis Presleys zu landen. Was der ausschlaggebende Faktor dafür war, das konnten beide in ihrem Interview mit Ken Sharp nicht genau benennen. Erklärt haben sie es sich damit, dass sie vielseitig und in der Lage waren, ganz unterschiedliche Songs vor allem für die Filmdrehbücher zu liefern.
Ein weiterer Faktor war die Sorgfalt, mit der sie ihre Demobänder erstellten, nach denen der Memphis Flash seine finale Songauswahl traf. Die wurden nie so gestaltet, dass er den Eindruck gewinnen musste, nachgeahmt zu werden. Er sollte sich auf keinen Fall Bänder eines Elvis-Imitators anhören müssen. Die Arbeitsweise im O-Ton Tepper:
„We wrote the lyrics and sang melodies into a tape recorder. There was an arranger at the publishing company [Hill and Range] who would write out the lead sheet with the chord notations. When we did the demos, we hired musicians and we made some great demos. We used the same musicians all the time. We didn’t use singers that sounded like Elvis. We just wanted Elvis to hear the melody and the song; I didn’t want anybody imitating him.“
Sid Tepper in Ken Sharp: Elvis Presley. Writing For The King, Follow That Dream Books 2006
Und so hat Elvis Presley seine Tepper und Bennett-Demos – hier eine Aufnahme mit Sänger Jimmy Breedlove – also gehört:
Sid Tepper weiter zu den Demoaufnahmen:
„We used one guy for the ballads and another guy for a song like New Orleans, which I love. It was a blues number so we used somebody else for that. We had a calypso singer do Song Of A Shrimp. Who we chose to sing the demo depended on the song […] I think why we got so many cuts on Elvis was because of the versatility of what we could write. Rock and roll wasn’t our forte.“
Was Elvis‘ Interpretationen ihrer Kompositionen anging, so war das Duo damit immer sehr zufrieden…
„Elvis would play the demo maybe once or twice […] He had an ear like you couldn’t believe. He had great ears. Usually Elvis liked the musical arrangements of our demos and used it. But the way he sang it was his own. He put his own style to it.“
Sid Tepper in Ken Sharp: Elvis Presley. Writing For The King, Follow That Dream Books 2006
… wobei Tepper besonders die Aufnahmen mochte, die er und Partner Bennett nicht explizit für Filmdrehbücher eingereicht hatten (siehe Songs von A bis Z weiter unten). Die einzige wirkliche Enttäuschung lag für Tepper und Bennett bis zum Schluss darin, dass die situationsbedingten Filmsongs letztendlich weder dem Talent Elvis Presleys gerecht wurden noch ihrem eigenen. Sie genießen bis heute wenig Ansehen, da sie mit legendären Aufnahmen in einen Topf geworfen werden – Aufnahmen, mit denen sie naturgemäß meist nicht konkurrieren können.
„I have always been disappointed that Elvis‘ movie songs are not considered worthy of him. It should be remembered that these songs were written for specific situations in the scripts. The songwriters were restricted to theses situations, so most of them did not have „pop“ topics. […] Frankly, they took advantage of Elvis. Let’s face it, most of the movies weren’t great movies. They took advantage of his talent and his singing.“
Roy Bennett und Sid Tepper in Ken Sharp: Elvis Presley. Writing For The King, Follow That Dream Books 2006
Von A bis Z: Elvis-Songs von Sid Tepper und Roy Bennett
A Boy Like Me, A Girl Like You (Film: Girls, Girls Girls)
A Cane And A High Starched Collar (Film: Flaming Star)
A House That Has Everything (Film: Clambake)
All That I Am (Film: Live A Little, Love A Little)
Am I Ready (Film: Spinout)
Angel (Film: Follow That Dream)
Beach Boy Blues (Film: Blue Hawaii)
Beginners Luck (Film: Frankie and Johnny)
Confidence (Film: Clambake)
Drums Of The Island (Film: Paradise Hawaian Style)
Earth Boy (Film: Girls, Girls, Girls)
Five Sleepy Heads (Film: Speedway)
For The Millionth And The Last Time (kein Filmsong)
Fort Lauderdale Chamber of Commerce (Film: Girl Happy)
G.I. Blues (gleichnamiger Film)
Hawaian Sunset (Film: Blue Hawaii)
I Love Only One Girl (Film: Double Trouble)
Island Of Love (Paradise Hawaian Style)
It’s A Wonderful World (Film: Roustabout)
Ito Eats (Film Blue Hawaii)
Just For Old Time Sake (kein Filmsong)
Kismet (Film: Harum Scarum)
Lonesome Cowboy (Film: Loving You)
Mexico (Film: Fun In Acapulco)
Mine (kein Filmsong)
New Orleans (Film: King Creole)
Once Is Enough (Film: Kissin‘ Cousins)
Petunia, The Gardener’s Daughter (Film: Frankie and Johnny)
Puppet On A String (Film: Girl Happy)
Relax (Film: It Happened At The World’s Fair)
Shoppin‘ Around (Film: G.I. Blues)
Slicin‘ Sand (Film: Blue Hawaii)
Smorgasboard (Film: Spinout)
Song Of The Shrimp (Girls, Girls, Girls)
Stay Away (Film: Stay Away Joe)
Take Me To The Fair (Film: It Happened At The World’s Fair)
The Bullfighter Was A Lady (Film: Fun In Acapulco)
The Lady Loves Me (Film: Viva Las Vegas)
The Walls Have Ears (Girls, Girls, Girls)
There Is So Much World To See (Film: Double Trouble)
Vino, Dinero Y Amor (Film: Fun In Acapulco)
Western Union (kein Filmsong)
Wheels On My Heels (Film: Roustabout)
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